1. Allgemeine Verhaltensgrundsätze

1.1 Der gerichtliche Sachverständige ist ein unabhängiges, zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtetes Hilfsorgan des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft (Verwaltungsbehörde) und als solches Teil der Rechtspflege. Er hat sich sowohl bei seiner Tätigkeit als Sachverständiger im Auftrag eines Gerichtes, der Staatsanwaltschaft oder einer Verwaltungsbehörde als auch in seinem Beruf und außerhalb seiner Berufsarbeit vorwurfsfrei zu verhalten und alles zu unterlassen, was das Vertrauen und die Achtung der Parteien und der Öffentlichkeit seiner Sachverständigenfunktion gegenüber schmälern könnte. Er hat die Ehre und das Ansehen seines Standes zu wahren.

1.2 Der Sachverständige hat die mit seinem Eid (§ 5 Abs 1 SDG) übernommenen Verpflichtungen bei jeder Sachverständigentätigkeit, in wessen Auftrag sie auch immer erfolgt, sorgfältig und gewissenhaft einzuhalten. Er hat daher sowohl im Verfahren vor den Gerichten, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden, aber auch als Privatgutachter die Gegenstände eines Augenscheins sorgfältig zu untersuchen, die gemachten Wahrnehmungen aus Augenschein und Aktenlage treu und vollständig anzugeben und den Befund und das Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln der Wissenschaft, der Kunst, der Technik, des Gewerbes oder seines Fachgebiets abzugeben.

1.3 Jede Mitwirkung und Teilnahme eines Sachverständigen an bedenklichen, gesetz- oder sittenwidrigen Geschäften und Handlungen ist standeswidrig.

1.4 Dem Sachverständigen ist verboten, im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Gutachter, für sich oder andere Personen, Zuwendungen oder Vergünstigungen zu fordern, anzunehmen oder sich versprechen zu lassen, die geeignet sein könnten, seine Objektivität zu beeinträchtigen, oder die nicht einer - etwa wegen ihrer Geringwertigkeit - nach allgemeiner Auffassung zu billigenden Gepflogenheit entsprechen. Er ist auch dazu verpflichtet, alles in seiner Macht stehende zu tun, um zu verhindern, dass solche Zuwendungen oder Begünstigungen von seinen Mitarbeitern oder Angehörigen entgegengenommen werden.

1.5 Der Sachverständige ist zu strengster Verschwiegenheit über seine Sachverständigentätigkeit und die dabei gemachten Wahrnehmungen verpflichtet. Insbesondere ist ihm untersagt, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu offenbaren oder zu verwerten, die ihm ausschließlich aus seiner Sachverständigentätigkeit bekannt geworden sind.

1.6 Der Sachverständige ist zur ständigen Weiterbildung auf seinem Fachgebiet verpflichtet. Der Dokumentation dieser Fortbildungsschritte dient der vom Hauptverband initiierte Bildungs-Pass (vgl. dazu die Beiträge in SV 1999/3, 101 f).

1.7 Die über eine bloße Mitteilung hinaus gehende Bezeichnung als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger zu Zwecken der Werbung und des Wettbewerbs ist untersagt. Die Verwendung dieser Bezeichnung auf dem Briefkopf, auf Visitkarten, in einem Lebenslauf, im Telefonbuch, auf einer Homepage, auf dem Wohnungsschild und dgl. - als bloße Mitteilung ohne reklamehafte Hervorhebung – ist zulässig. Auf Homepages ist auch der Zertifizierungsumfang anzugeben. Jede Irreführung durch undeutliche, mehrdeutige oder unvollständige Angaben – etwa durch Verschweigen einer sachlichen Beschränkung – hat zu unterbleiben.  Die Erwähnung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger in einer Unternehmens- oder Warenbezeichnung ist jedenfalls unstatthaft.

Bei Eintragungen in die Gerichtssachverständigenliste, bei der Einrichtung eines Links gemäß § 3a Abs 5 SDG und bei Einrichtung einer speziellen Homepage als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (im Folgenden Sachverständigen-Homepage genannt) sind folgende Grundsätze zu beachten:

1.7.1. Gegenstand der Eintragung und der allenfalls über einen Link erreichbaren speziellen Homepage als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger (Sachverständigen-Homepage) können ausschließlich Angaben zur Ausbildung und beruflichen Laufbahn, zur Infrastruktur der Sachverständigentätigkeit und zum Umfang der bisherigen Tätigkeit als Sachverständiger, insbesondere zur Anzahl der behördlichen oder privaten Bestellungen und zum Gegenstand der Gutachten sein. Andere Inhalte sind unzulässig.

1.7.2. Die Inhalte der Eintragung und der Sachverständigen-Homepage dürfen weder gegen gesetzliche Ge- und Verbote noch gegen die guten Sitten verstoßen.

1.7.3. Alle Angaben müssen der Wahrheit entsprechen und objektiv nachprüfbar sein. Sie dürfen keine vertragliche oder gesetzliche Verschwiegenheitspflicht oder sonstige Rechte Dritter verletzen.

1.7.4. Die Schilderung von Kenntnissen und Fähigkeiten muss objektiv und sachlich erfolgen und hat sich in jenem Bereich zu halten, der von der Zertifizierung umfasst ist.

1.7.5. Zur Irreführung geeignete, insbesondere undeutliche, mehrdeutige oder unvollständige Angaben sind zu unterlassen.

1.7.6. Jede reklamehafte Hervorhebung ist zu unterlassen.

1.7.7. Jede Bezugnahme auf andere Sachverständige und deren Leistungen ist untersagt.

1.7.8. Die Aufmachung der Sachverständigen-Homepage* darf Ehre und Ansehen des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen nicht widersprechen.

1.7.9. Ein Link von der Sachverständigen-Homepage* auf die vom Sachverständigen im Wirtschaftsleben sonst verwendete Homepage* ist nicht zulässig, doch kann bei den Adressangaben auch eine (nicht verlinkte) Internetadresse des Sachverständigen, die er sonst im Wirtschaftsleben verwendet, angeführt werden. Ein Link von einer solchen Homepage* auf die Gerichtssachverständigenliste oder auf die Sachverständigen-Homepage* ist zulässig.

1.7.10. Auf sonstigen Homepages* des Sachverständigen hat abgesehen von einem Hinweis mit Angabe des Zertifizierungsumfangs (Punkt 1.7) sowie einem Link auf die Gerichtssachverständigenliste oder auf eine Sachverständigen-Homepage* jede weitere Darstellung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger zu unterbleiben.

Der Sachverständige hat bei der Unterfertigung schriftlicher Gutachten ein Rundsiegel zu verwenden, das den Namen des Sachverständigen sowie die Bezeichnung “Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger” enthält (§ 8 Abs 5 SDG). Beispiele für die Gestaltung dieses Siegels sind beim Hauptverband erhältlich.

1.8 Der Sachverständige hat in gerichtlichen (staatsanwaltschaftlichen) und verwaltungsbehördlichen Verfahren seine Gebühren den Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG) entsprechend zu verzeichnen. Bei Aufträgen für Privatgutachten kann der Sachverständige das Honorar mit dem Auftraggeber frei vereinbaren. Auch das frei vereinbarte Honorar darf nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der zu erbringenden Leistung stehen.

Bei drohender Unverhältnismäßigkeit der zu erwartenden Sachverständigengebühren (des Honorars) zum Wert des Streitgegenstandes (oder zum Wert des vom Auftraggeber verfolgten Interesses) oder zur Höhe eines allfälligen Kostenvorschusses trifft den Sachverständigen eine Warn- und Aufklärungspflicht gegenüber dem Auftraggeber und/oder den zur Gebührentragung verpflichteten Parteien. Diese Warn- und Aufklärungspflicht wird für den Bereich des Gerichtsgutachtens sowie des im Auftrag der Staatsanwaltschaft erstatteten Gutachtens nunmehr in §§ 25 Abs 1a, 52 Abs 1 GebAG ausdrücklich geregelt.

* Der in den Standesregeln verwendete Begriff "Homepage" folgt der Terminologie des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes (SDG). Er ist nicht als Startseite eines Webauftritts, sondern umfassend im Sinn  von „Website“ oder „Internet-Auftritt“ zu verstehen.

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